Wer eine Ausbildung zum psychosozialen Berater oder zur psychosozialen Beraterin machen will, sieht sich mit einer grundlegenden Frage konfrontiert: Auf welcher fachlichen Basis soll diese Ausbildung erfolgen? Diese Frage stellt sich für die Ausbildung in psychosozialer Beratung mit Institutsabschluss und SGfB Zertifizierung oder mit Abschluss bis eidgenössisches Diplom. Die Individualpsychologie bietet sich als breites Feld an, denn sie deckt die Aspekte ab, die wichtig sind, um gut zu beraten.
Warum Individualpsychologie in der Beratung?
Die Individualpsychologie folgt einem spannenden Ansatz. Hier gilt das Motto: „So breit wie das Lebens selbst.“ Und auch wenn sie Faktoren aus der Vergangenheit berücksichtigt, ist ihr Blick doch stets in erster Linie nach vorn gerichtet. Die Individualpsychologie bezieht Aspekte wie die Erziehung, die Schule, die Art des Zusammenlebens und die materiellen und sozialen Verhältnisse mit ein, ohne sich dabei selbst einzuschränken. Dabei sind die Dinge, die zu Elend führen, ebenso wichtig wie die Frage, wie ein glückliches und erfülltes Zusammenleben gelingen kann.
In der psychosozialen Beratung kann man frei agieren und den Zugang zu einem grossen Denker gewinnen: zu Alfred Adler. Die Ausbildung erfolgt in aller Regel in einem Institut, dank der Subjektfinanzierung kann sie zudem staatlich gefördert werden, sodass bis zur Hälfte der Kosten für die Ausbildung erstattet werden kann.
Was genau ist eigentlich eine individualpsychologische Beratung?
Zu dieser Frage liessen sich Bände füllen. Man kann sie aber auch auf ein übersichtliches Mass zusammenfassen und auf einen einfachen Nenner bringen: Die psychosoziale Beraterausbildung sollte sich grundsätzlich an der Aufgabe des Beraters bzw. der Beraterin orientieren.
Was wie eine Selbstverständlichkeit, ja, fast schon wie eine Binsenweisheit klingt, ist komplexer als man denken mag. Denn oft genug bedeutet Beratung Frontalunterricht, der nicht selten zum einen Ohr herein und zum anderen wieder heraus geht. Das ist durchaus nachvollziehbar, denn der reine Frontalunterricht führt nur selten zu wertvollen Erkenntnissen für die Teilnehmenden.
Gut zusammengefasst hat es Hans Josef Tymister. Er formulierte die Beratung als „dialogische Verständigung zwischen einem oder mehreren Ratsuchenden und einem oder mehreren Ratgebenden über ein Lebensproblem“ (1995, S. 59). Damit wird klar, dass Beratung immer auch die partnerschaftliche Zusammenarbeit bedeutet, an der der Ratsuchende aktiv beteiligt wird. Auf diese Weise werden Erkenntnisse und Wissen nicht durch die frontale Methode vermittelt, sondern auf der Grundlage eigener Schritte, die der Ratsuchende geht und auf denen er vom psychosozialen Berater begleitet wird.
Das Ziel der Individualpsychologie ist also gewissermassen Hilfe zur Selbsthilfe, und zwar in den wichtigen Lebensbereichen wie Ehe und Liebe, Beruf und Arbeit, aber auch der Gemeinschaft. Der Umgang mit dem eigenen Selbst und auch die Natur, die Kunst und die Religion sind eingebunden.
Im Falle von Psychosen und anderen diagnostizierten, schweren seelischen Erkrankungen ist zwingend eine Psychotherapie oder ein Psychiater angeraten. Doch kann die Beratung, trotz abweichender Ansätze bei Herangehensweisen, den gewünschten Erfolg bringen, wo keine Psychotherapie von Nöten ist. Letztlich gibt es genügend Überschneidungen, die die Therapie und die Beratung in gegenseitige Nähe rücken lassen.
Grundsätzlich sind zwischen Beratung und Therapie Grenzen zu ziehen. Es gibt aber auch Bereiche, die sich ergänzen oder sogar ineinander fliessen. Der wesentliche Unterschied liegt sicher darin, dass der therapeutische Ansatz auf das Paradigma des „Konflikts“ abzielt, die Beratung dagegen legt den Schwerpunkt eher auf das „Problem“ und deren Lösung mit Hilfe der Aufdeckung von persönlichen Strategien aus der Vergangenheit. Hier erfolgen jedoch häufig Überschneidungen der beiden Bereiche.
Die beschriebenen Überschneidungen zwischen Therapie und psychosozialer Beratung haben im Laufe der Zeit auch zu inhaltlichen Annäherungen geführt. So hat sich durchgesetzt – und das wäre ganz im Sinne Alfred Adlers -, dass die Beziehung zwischen dem Berater und seinem Klienten ebenso wichtig ist wie die zwischen dem Therapeuten und seinem Patienten.
Doch es gibt natürlich auch grundlegende Unterschiede zwischen Beratung und Therapie. So sind die Behandlungszeiten in der Psychoanalyse und der Psychotherapie mit 80, 160 oder sogar 240 Stunden deutlich höher angesetzt als bei der psychosozialen Beratung. Hier sprechen wir von Grössenordnungen, die sich im Bereich von 2 bis 10 Stunden pro Thema bewegen.
Die Individualpsychologie als Sprungbrett für die Karriere
Wie bereits oben angemerkt, gibt es die Möglichkeit, sich mit der Subjektfinanzierung einen Teil der Ausbildungskosten für die Beraterausbildung zurück zu holen. Das erhöht die Attraktivität des Beraterberufes im psychosozialen Bereich erheblich. Das Fachliche kann mit der Methodik von Alfred Adler ausgezeichnet verinnerlicht werden.
So kann die Individualpsychologie helfen, nicht nur beruflich weiterzukommen. Sie unterstützt den Menschen auch dabei, sich und seine Mitmenschen besser zu verstehen.