Richtig zuhören – können Sie das?
Na klar! werden Sie denken. Doch: Ist Zuhören wirklich so einfach? Meine Beobachtung ist, dass wir häufig nur mit «einem Ohr» zuhören. Während eines Gespräches beschäftigen sich viele Menschen mehr mit sich selbst als mit der Konversation. Das Gegenüber nimmt diese Abwesenheit wahr und reagiert möglicherweise frustriert, traurig oder enttäuscht. Die Atmosphäre zwischen den beiden kühlt spürbar ab. Die gute Nachricht: Es geht auch anders.
Lassen Sie sich von diesem Fachbeitrag inspirieren! Wissen teilen, like oder teile diesen Fachartikel
Ich höre doch zu!
In der alltäglichen Kommunikation achten viele Menschen darauf, was sie sagen, wie sie es sagen oder wann sie etwas sagen. Sie konzentrieren sich intensiv auf sich selbst. Sie versuchen, sich gut auszudrücken und die richtigen Worte zu finden. Dabei verlieren sie ihren Gesprächspartner oder ihre Gesprächspartnerin aus dem Blick.
Am besten können Sie diese Situationen in Meetings beobachten. Während eine Person spricht, suchen die anderen nach Argumenten für ihren eigenen Standpunkt. Das bedeutet: Das eigene Statement zu formulieren ist wichtiger als dem Gegenüber zuzuhören und wirklich zu verstehen.
Was ist aktives Zuhören und was kann es?
Aktives Zuhören funktioniert nicht nebenher. Es handelt sich um eine Fähigkeit, die Sie trainieren können. Dafür müssen Sie Energie und Aufmerksamkeit investieren. Sie versuchen, den anderen wirklich zu verstehen. Dafür müssen Sie nicht nur auf die Worte und die Sprachmelodie Ihres Gesprächspartners achten. Sie fokussieren sich zusätzlich auf Gesten, Gesichtsausdruck und die dahinterliegenden Bedürfnisse.
Wie gelingt aktives Zuhören?
Das Ziel des aktiven Zuhörens ist, Ihr Gegenüber als Mittelpunkt des Gespräches zu betrachten. Dafür brauchen Sie zwei Eigenschaften:
1. Empathische und offene Grundhaltung
Wenn ein Mensch sich als gleichwertig anerkannt wahrnimmt, entwickelt er ein Gefühl der Zugehörigkeit. Diese Haltung im Kontakt aufzubauen und aufrecht zu erhalten, ist eine wichtige soziale Kompetenz und die Basis für tragfähige, zwischenmenschliche Beziehungen.
Anders ausgedrückt: Sie bauen eine gleichwertige Beziehung auf, indem Sie versuchen, den Gesprächspartner zu verstehen und ihm auf der gleichen Ebene zu begegnen. Gefühle der Über- oder Unterlegenheit haben dabei keinen Platz. Gleichwertigkeit herzustellen bedeutet gedankliche Arbeit, die Sie in der Beziehungsgestaltung leisten müssen. Nur gelebte Gleichwertigkeit führt zu langfristigen, konstruktiven Beziehungen.
2. Authentisches und kongruentes Auftreten
Die Voraussetzung für aktives Zuhören liegt in einer reifen, glaubwürdigen Persönlichkeit! Authentische Personen tun was sie sagen und handeln nach ihren Worten und inneren Werten. Sie wirken klar, echt und verlässlich. Überlegen Sie einmal: Kennen Sie jemanden, zu dem die Beschreibung passt?
Ehrlicherweise ist an dieser Stelle anzumerken, dass eine reife Persönlichkeit nicht automatisch entsteht. Ohne sich aktiv mit Persönlichkeitsentwicklung zu beschäftigen und auch die Schattenseiten des eigenen Daseins zu erkunden, gelingt dies nicht. Einen Einstieg in das Thema mit den wichtigsten Expertentipps finden Sie hier auf unserer Website.
3. Akzeptanz und positive Aufmerksamkeit
Achten Sie ihr Gegenüber. Sie drücken Respekt und Aufmerksamkeit aus, indem Sie die andere Person ansehen, mit dem Kopf nicken oder durch kurze Äusserungen zeigen, dass Sie intensiv am Dialog teilnehmen.
So entsteht eine entspannte, positive Atmosphäre, die ein offenes Miteinander ermöglicht. Das Gespräch gewinnt an Offenheit und Tiefe.
Aktives Zuhören in der psychosozialen Beratung
Vielleicht haben Sie bereits Fachbücher über aktives Zuhören gelesen oder eine Aus- und Weiterbildung besucht. Auf diesen Wegen haben Sie verschiedene Methoden kennengelernt. Aus der Psychotherapieforschung wissen wir, welche Rolle die Haltung der Beratungsperson sowie die angewandte Methode für den Beratungserfolg spielt. Nach dem Motto: Psychosoziale Beratung – Haltung oder Methodik?
Das Ergebnis: Nur mit einer zugewandten, authentischen inneren Haltung können Berater/-innen eine tragfähige Beziehung zu den Ratsuchenden aufbauen. Erst dann entfalten Wissen und Technik ihre Wirkung.
Aktives Zuhören – eine professionelle Grundhaltung
Aktives Zuhören ist zuallererst eine Grundhaltung. Sie drückt sich in folgenden Aspekten aus:
- Echtes Interesse am Gegenüber.
- Präsenz und Aufmerksamkeit: Konzentrieren Sie sich ausschliesslich auf das, was die andere Person sagt. Ihr eigenes «Kopfkino», die tägliche «To-do-Liste» oder Bewertungen haben keinen Platz in einem Beratungsgespräch.
- Üben Sie unvoreingenommenes Zuhören. Schieben Sie Vorurteile oder eigene Standpunkte bewusst beiseite.
- Allparteilichkeit, ein Begriff aus der Familientherapie, betont das Bemühen und die Fähigkeit, sich aktiv in eine Position einzufühlen. Allparteilichkeit bedeutet auch, wertfrei und offen auf Menschen zuzugehen sowie auf eine Bewertung ihres Wert- und Weltverständnisses zu verzichten.
- Geduldig sein: Ratsuchende gehen ihren Weg in ihrem eigenen Tempo und brauchen unterschiedlich viel Zeit, um Vertrauen aufzubauen.
- Ablenkung vermeiden: Nutzen Sie eine positive Körpersprache. Sie halten Augenkontakt und wenden sich ihrem Gesprächspartner zu. Damit erleichtern Sie es ihm oder ihr, sich zu öffnen.
Carl Rogers: Ein Meister des aktiven Zuhörens
Carl Rogers (1902 – 1987), ein renommierter amerikanischer Psychologe, hätte es so ausgedrückt: «Paraphrasieren Sie das Gehörte, um zu zeigen, dass Sie die Inhalte auch wirklich verstanden haben.»
Rogers prägte den Begriff «aktives Zuhören». Für ihn ist aktives Zuhören einerseits Grundhaltung und andererseits eine konkrete Technik. Die Grundhaltung orientiert sich an den Axiomen der Gesprächsführung nach Rogers: Empathie, Authentizität und positive Wertschätzung. Konkrete Techniken untergliedern sich in verbale Techniken (beispielsweise Paraphrasieren und Spiegeln) und nonverbale Techniken (beispielsweise offene Körperhaltung).
Aktuell geniesst Empathie als soziale Kompetenz ein hohes Ansehen. Dies führt leicht dazu, dass der Begriff verwässert. Daher lassen wir den Pionier auf dem Gebiet hier zu Wort kommen. Rogers beschreibt das einfühlsame Verstehen als einen Moment, in dem der Zuhörende (Therapeut) „genau die Gefühle und persönlichen Bedeutungen spürt, die der Klient erlebt, und dass er dieses Verstehen dem Klienten mitteilt. Unter optimalen Umständen ist der Berater so sehr in der privaten Welt des anderen drinnen, dass er oder sie nicht nur die Bedeutung klären kann, deren sich der Klient bewusst ist, sondern auch jene knapp unterhalb der Bewusstseinsschwelle.“ (Rogers, C.: Der neue Mensch 1981; Seite 68)
Das Beispiel verdeutlicht das Zusammenspiel von Haltung und Technik: Zeigt die Beratungsperson eine wenig empathische Haltung, wird die Technik des Paraphrasierens zu einem Papagei-ähnlichen Nachplappern und verfehlt ihr Ziel.
Nonverbale Kommunikation
Wie schon erwähnt, braucht aktives Zuhören auch nonverbale Kommunikation.
Sie umfasst jede Form der Kommunikation, die ohne Worte stattfindet. Dazu zählen Gesichtsausdruck, Gesten, Körperhaltung und -sprache. Sie haben mehrere Möglichkeiten, um Ihr Gegenüber auf nonverbal zu unterstützen. Halten Sie Augenkontakt, um zu zeigen, dass Sie zuhören. Verschränken Sie Ihre Arme nicht vor dem Körper und seien Sie nicht unruhig, da beides das Gefühl vermittelt, dass Sie nicht bei der Sache sind. Sie können lächeln oder nicken. Durch diese nonverbalen Zeichen zeigen Sie nicht nur Ihre Aufmerksamkeit, Sie schaffen damit eine angenehme Gesprächsatmosphäre für Ihren Gesprächspartner.
Carl Rogers und Alfred Adler – Zeitgenossen und Weggefährten
Nur wenige Menschen wissen, dass Carl Rogers (1902-1987) bei Alfred Adler studierte. In den Jahren 1927 und 1928 war Adler als Gastlehrer am Institut für Child Guidance (mittlerweile aufgelöst) in New York City tätig. Carl Rogers absolvierte zu dieser Zeit ein Praktikum.
Kurz vor seinem Tod erwähnte Carl Rogers die Begegnung mit Alfred Adler. Seine Worte zeigen, wie sehr er Adler respektierte.
«Ich hatte das Privileg, Dr. Alfred Adler zu treffen, zu hören und zu beobachten. Ich war den rigiden freudianischen Ansatz gewohnt, eine Fülle von Tests und eine 75 Seiten lange Fallgeschichte, bevor auch nur mit dem Behandeln eines Kindes gestartet werden konnte. Ich war schockiert, wie Dr. Adler direkt und in einer einfachen Art und Weise mit dem Kind und den Eltern die Beratung durchführte. Unmittelbar im Zusammenhang mit dem Kind und den Eltern. Es dauerte einige Zeit, um zu realisieren, wie viel ich von ihm gelernt habe.» (vgl. Ansbacher, 1992).
Aktives Zuhören konkret gestalten
Sie kennen jetzt die Bausteine, die Sie als Person ins Gespräch einbringen müssen, wenn aktives Zuhören gelingen soll. Die Herausforderung dabei: Ihr Gegenüber steht im Mittelpunkt. Das bedeutet gleichzeitig, dass Sie die beschriebene Haltung und die vorgestellten Techniken des aktiven Zuhörens bereits verinnerlicht haben. Sie können sich nicht vollständig auf den Gesprächspartner, die Gesprächspartnerin fokussieren, wenn Sie Ihr eigenes Verhalten noch hinterfragen. Daraus folgt: Nutzen Sie eine fundierte Ausbildung beispielsweise zur psychosozialen Beraterin / zum psychosozialen Berater an der Akademie für Individualpsychologie mit ausreichend Raum zum Üben und Trainieren.
Lassen Sie sich Zeit, gehen Sie achtsam und wohlwollend mit sich selbst um.
Nun nehmen wir die konkrete Gesprächssituation in den Blick.
Den Gesprächspartner einschätzen
Um Ihr Gegenüber richtig einzuschätzen, sind folgende Aspekte besonders relevant:
Körpersprache: Wie sitzt Ihr Gesprächspartner da? Was machen die Hände oder der Gesichtsausdruck? Ist er zugewandt oder eher abgeneigt?
Mimik: Welchen Ausdruck haben die Augen? Zeigen die Mundwinkel beim Reden nach unten oder oben?
Ton: Welchen Ton schlägt Ihr Gegenüber an? Ist die Stimme laut oder leise? Spricht er schnell oder langsam?
Auf das Gesagte reagieren
Zeigen Sie durch konkrete, offene Fragen Ihr Interesse. Achten Sie darauf, dass Ihre eigene Meinung nicht in den Fragen mitschwingt und denken Sie daran: Sie konzentrieren sich auf das, was Ihr Gegenüber sagen will.
Die folgenden Formulierungen können Ihnen dabei nützlich sein:
- Erzählen Sie mir mehr darüber.
- Wie haben Sie sich dabei gefühlt?
- Was brauchen Sie jetzt?
- Warum glauben Sie, ist das so?
- Wie haben Sie reagiert?
- Wie lief das genau ab?
- Was war Ihnen bis jetzt wichtig?
- Was bewegt Sie?
Wir bringen Sie voran: Psychosoziale Beratungsausbildung an der Akademie für Individualpsychologie
Wir hoffen, dass Sie in diesem Beitrag neue Impulse für sich entdecken konnten. Klar ist: Aktives Zuhören braucht Übung, Feedback und den passenden Raum, um sich zu entfalten.
Aus diesem Grund leben wir an der Akademie für Individualpsychologie die offene und zugewandte Grundhaltung. Die Teilnehmer/-innen unserer Kurse tauchen in die ermutigende, kraftvolle und entwicklungsfördernde Atmosphäre ein. Sie erfahren die positive Wirkung – vom ersten Augenblick an. Damit ermöglichen wir ihnen Fortschritte in der persönlichen Entwicklung, die sie auf anderem Wege nicht erreichen.
Rufen Sie uns an oder schreiben Sie uns eine Nachricht. Wir freuen uns, Sie kennenzulernen! Hier finden Sie unser Kontaktformular.
INFOVERANSTALTUNG BESUCHEN
BROSCHÜRE HERUNTERLADEN
EINBLICK INS STUDIUM – STUDIERENDE BERICHTEN