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Ablauf eines psychosozialen Beratungsgesprächs: mehr als Worte

Ablauf eines psychosozialen Beratungsgesprächs: mehr als Worte 

Ablauf eines psychosozialen Beratungsgesprächs: mehr als Worte

Im Gegensatz zur täglichen Unterhaltung folgt das Beratungsgespräch durch eine/n Berater/in im psychosozialen Bereich einer professionellen Routine. Das ist notwendig, um gemeinsam mit den Ratsuchenden erfolgreich an deren Themen zu arbeiten.

In der Individualpsychologie von Alfred Adler werden Beratung und Therapie als Prozess mit mehreren Stufen betrachtet.

Die fünf Stufen der individualpsychologischen Beratung

Folgendes ist wichtig zu beachten: Die Stufen beschreiben den Inhalt und Ablauf des Beratungsprozesses während einer Sitzung. Im Praxisalltag sind sie nicht immer klar voneinander abzugrenzen.

Stufe 1: Beziehung herstellen

Die Beratungsperson arbeitet daran, eine vertrauensvolle Beziehung zum Gegenüber aufzubauen. Das geschieht unter anderem über einen offenen und unterstützenden Dialog. Ratsuchende werden emotional abgeholt – damit stellt die/der psychosoziale Berater/in sicher, dass eine gute und tragende Arbeitsatmosphäre entsteht. Empathie, Wertschätzung und Akzeptanz sind die Schlüsselfaktoren für eine erfolgreiche Beratung.

Stufe 2: Auftrag und Analyse

Jetzt geht es um den Auftrag: Welches Thema bringt die Person mit? Was erwartet sie von der Beratung und wie sieht ihre Lebenssituation aus?

Meist unterstützt die Beratungsperson die Klient/innen dabei, das Hauptproblem und die Herausforderungen zu identifizieren. Hierbei kann es um berufliche Schwierigkeiten, zwischenmenschliche Beziehungen wie Paarbeziehung  oder Freundschaften, oder andere Lebensbereiche gehen. Ein erster wichtiger Schritt besteht darin, eine umfassende Anamnese durchzuführen, um die Hintergründe zum Problem und die Ziele von Ratsuchenden zu verstehen.

Anders ausgedrückt: Es geht darum, die Person und ihre Lebensgeschichte aus individualpsychologischer Perspektive zu erfassen. Ebenso darum, das Problem im Kontext der lebensgestaltenden Ideen der Klientin, des Klienten und der individualpsychologischen Konzepte zu erkennen.

Anschliessend legen individualpsychologische Berater/innen und Ratsuchende gemeinsam die Ziele für den Beratungsprozess fest. Sie dienen als Leitfaden für den weiteren Verlauf und müssen eindeutig formuliert und erreichbar sein.

Stufe 3: Interpretation

Mit der dritten Stufe erreichen Beratungsperson und Klient/in eine neue Eben im Beratungsprozess. Eine vertrauensvolle Arbeitsbeziehung ist dafür notwendig.

Interpretation heisst, dass die psychosoziale Beraterin / der psychosoziale Berater die bisherigen Informationen deuten und erklären. Die Beratungsperson bringt dabei ihr gesamtes Wissen über individualpsychologische Zusammenhänge und ihre Praxiserfahrung mit ein.   

Das Ziel ist, dass Klient/innen die eigenen unbewussten Muster und Zusammenhänge erkennen. Gleichzeitig soll die Beratungsperson die Gedanken und Gefühle der Ratsuchenden besser verstehen. Dafür braucht es eine offene, empathische und nicht-wertende Kommunikation sowie aktives Zuhören. Um ein Überstülpen (Übertragung) von eigenen Ideen des Beraters / der Beraterin zu vermeiden, ist zwingend darauf zu achten, dass die Ratsuchenden die Muster und Gefühle in ihrem Leben in verschiedenen Situationen wiederfinden.

Stufe 4: Neuorientierung

Die Beratungsperson hilft den Ratsuchenden dabei, die eigenen Ressourcen und Stärken zu erkennen und zu nutzen.

Dafür werden unter anderem neue Erkenntnisse integriert und Handlungsspielräume erweitert. Der Fokus liegt darauf, die vorhandenen Ressourcen und Stärken des Klienten zu nutzen, um positive Veränderungen zu fördern.

Klient/innen setzen die erlernten Techniken und Strategien im Alltag um. Die Beratungsperson unterstützt bei der Integration neuer Verhaltensweisen sowie Denk- und Verhaltensmuster.

Stufe 5: Ermutigung als Abschluss der Beratungseinheit

Ermutigung spielt in Alfred Adlers Konzept eine besondere Rolle. Sie ist aus individualpsychologischer Perspektive keine oberflächliche Lobhudelei, sondern eine tiefgreifende Unterstützung. Ermutigung zielt darauf ab, biografisch vorhandene Stärken und Möglichkeiten des Klienten / der Klientin hervorzuheben. Ebenso die Schritte und Versuche zu anerkennen, die jemand tut.

Übrigens: Um Klient/innen authentisch zu ermutigen, erfahren Studierende an der Akademie für Individualpsychologie ab dem ersten Moment wie das Menschenbild von Alfred Adler im Alltag selbst gelebt wird.

Individualpsychologie – eine positive Psychologie

Klares Konzept, individuell angepasst

Alfred Adler war empathisch und hat sich auf sein Gegenüber eingelassen. Damit setzte er hohe Massstäbe in der Beratung. Und nicht nur das.

«Alles kann auch anders sein». Dieses Zitat von Adler verdeutlicht seine grosse, geistige Flexibilität, die er in die Beratung einbrachte. Auch für ihn war klar: Kein Beratungsablauf oder Konzept ist starr oder linear. Der Ablauf eines Beratungsgespräches nach dem Konzept der Individualpsychologie wird flexibel an die Bedürfnisse der Ratsuchenden angepasst. Nur so kann Erfolg eintreten.

Die Beratung zielt darauf ab, dass Ratsuchende lernen, die eigenen Ressourcen zu nutzen und positive Veränderungen im Leben vorzunehmen. Dazu brauchen sie Ermutigung, die ihre Autonomie fördert. Die individualpsychologische Beratung schafft Raum für Selbstbestimmung und Entscheidungsfindung. Sie trägt damit zu einem gesunden Selbstkonzept bei.

Individualpsychologie – eine positive Psychologie

Die Individualpsychologie kann eindeutig als Positive Psychologie bezeichnet werden. Das bedeutet: Sie ist von einem positiven Menschenbild getragen und konzentriert sich auf ein positives, erreichbares Ziel. Dabei leugnet sie die vorhandenen Probleme nicht.

Konkret zeigt sich die positive Ausrichtung an folgenden Aspekten:

1. Fokus auf das Positive: In der Individualpsychologie liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung des Gemeinschaftsgefühls, sozialen Interesses und der Ermutigung. Diese Aspekte betonen positive soziale Beziehungen und die positive Beeinflussung der Gemeinschaft.

2. Betonung von Selbstwirksamkeit: Adler betonte die schöpferische Kraft und die Selbstwirksamkeit des Individuums. Der Mensch ist in der Lage, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen und bewusste Entscheidungen zu treffen.

3. Ganzheitlicher Blick auf das Individuum: Adler betonte die Ganzheitlichkeit des Individuums und wie verschiedene Aspekte des Lebens – soziale Beziehungen, Ziele und Gemeinschaftsgefühl – miteinander verbunden sind.

4. Gesellschaftliche Auswirkungen: Adler legte Wert darauf, die gegenseitige Abhängigkeit von individuellem Verhalten und Wohlbefinden und der Gesellschaft aufzuzeigen. Es war ihm ein Anliegen, das soziale Interesse und positive soziale Beziehungen zu fördern.

5. Fokus auf persönliches Wachstum: Adler betonte die Idee, dass Menschen bestrebt sind, ihre Ziele zu erreichen und ihr persönliches Potenzial zu entfalten. Die Individualpsychologie ist als Einladung zu verstehen, das Innere zu erforschen und dabei zu entdecken, wie viel Potenzial für Glück und Erfüllung in jedem Menschen schlummert. Adler wusste, dass dieses Potenzial vorhanden ist.

Wer diesen Weg zur Entfaltung selbst beschreitet oder die positive Wirkung der individualpsychologischen Beratung für das eigene Leben bereits kennt, kann andere Menschen auf ihrem Weg begleiten. Eine verantwortungsvolle und zutiefst erfüllende Aufgabe.

So werden Sie eine erfolgreiche Beratungsperson

So werden Sie eine erfolgreiche Beratungsperson

Eine psychosoziale Beratungsperson sollte eine Kombination aus bestimmten persönlichen Eigenschaften und fachlicher Qualifikation mitbringen.

Persönliche Eigenschaften – ein zentrales Erfolgselement

Zu den zentralen Wesenszügen zählt die Empathie, also die Fähigkeit, sich in die Gefühle und Perspektiven der Ratsuchenden einzufühlen. Empathie ist entscheidend für eine erfolgreiche Beratung.

Darüber hinaus braucht es Respekt und Wertschätzung. Ein respektvoller Umgang mit Ratsuchenden – unabhängig von deren Überzeugungen, Hintergründen oder Entscheidungen – fördert eine vertrauensvolle Beziehung. Respekt bedeutet jedoch nicht, alles gut zu finden und Zustimmung zu signalisieren, die nicht vorhanden ist.

Diese Art der Wertschätzung gelingt nur, wenn die Beratungsperson Offenheit und Toleranz in die Beratung einbringt. Eine offene Einstellung gegenüber vielfältigen Lebensanschauungen und Lebensstilen ermöglicht es der Beratungsperson, flexibel und anpassungsfähig zu agieren.

Authentizität und Ehrlichkeit runden das Beraterprofil ab. Damit schaffen Beratungspersonen Vertrauen zwischen Beratungsperson und Ratsuchenden. Darüber hinaus dient der Berater oder die Beraterin als Modell zum Beispiel für Selbstakzeptanz.

Berufliche Kompetenzen: das Handwerkszeug

Berufliche Kompetenzen: das Handwerkszeug

Kommunikationsfähigkeit ist das wichtigste Tool im Beratungsprozess. Sie zeigt sich darin, dass Beratungspersonen Informationen klar, präzise und verständlich vermitteln sowie effektiv auf Äusserungen anderer reagieren. In der psychologischen Beratung ist eine starke Kommunikationsfähigkeit von entscheidender Bedeutung, da sie die Grundlage für eine erfolgreiche Interaktion zwischen Beratungsperson und Ratsuchenden schafft.

Diese Aspekte der Kommunikation kommen im Verlauf eines psychosozialen Beratungsgespräches zum Einsatz:

1. Aktives Zuhören: Hier geht es nicht nur darum, verbale Äusserungen von Klient/innen aufzunehmen, sondern auch auf nonverbale Signale, wie Tonfall, Gesten und Emotionen zu achten.

2. Klarheit und Präzision: Eine klare und präzise Kommunikation ist entscheidend, um sicherzustellen, dass Informationen verstanden werden. Berater/innen sollten in der Lage sein, komplexe psychologische Konzepte in verständliche Begriffe zu übersetzen.

3. Empathie und Verständnis ausdrücken: Diese Fähigkeit trägt dazu bei, eine tragfähige Beziehung aufzubauen. Durch einfühlsame Kommunikation zeigt die Beratungsperson, dass sie die Gefühle und Perspektiven der Ratsuchenden anerkennt.

4. Frage- und Gesprächstechniken: Effektive Frage- und Gesprächstechniken ermöglichen es der psychosozialen Beratungsperson, relevante Informationen zu sammeln und den Dialog gezielt zu lenken. So fördern zum Beispiel offene Fragen die Reflexion, während geschlossene Fragen spezifische Informationen liefern.

5. Ermutigend sein: Das bedeutet, den Klient/innen Rückmeldungen zu geben, Anregungen zu bieten und positive Veränderungen zu unterstützen. Die Ermutigung sollte klar, wohlwollend und auf die Bedürfnisse der Ratsuchenden abgestimmt sein.

6. Körpersprache und nonverbale Kommunikation: Die Fähigkeit, die eigene Körpersprache zu kontrollieren und die nonverbale Kommunikation der Ratsuchenden zu interpretieren, ist entscheidend. Ein bewusster Einsatz von Mimik, Gestik und Haltung verstärkt die Kommunikationsbotschaft.

7. Ressourcenorientierte Sprache: Die Verwendung einer ressourcenorientierten Sprache betont die Stärken und Ressourcen der Klient/innen. Diese positive Ausrichtung fördert ein optimistisches Verständnis der eigenen Fähigkeiten.

8. Angepasste Kommunikation: Eine an die Bedürfnisse und den Stil der Klient/innen angepasste Kommunikation ist wichtig. Sie signalisiert: Jeder Mensch ist einzigartig und wird wertgeschätzt. So fördert diese Strategie eine effektive Zusammenarbeit.

9. Ethik und Vertraulichkeit: Klare Kommunikation über ethische Standards und Vertraulichkeit schafft ein sicheres Umfeld für die Ratsuchenden. Eine offene Kommunikation über die Rahmenbedingungen fördert das Vertrauen.

Berufskompetenz: qualifizierter Abschluss

Berufskompetenz: qualifizierter Abschluss

Qualifikation erzeugt Sicherheit, schafft Vertrauen und bringt Erfolg. Beratungspersonen, die eine anspruchsvolle, umfassende Ausbildung absolviert haben, strahlen Souveränität und Kompetenz aus. Sie schaffen damit Vertrauen in ihre Fähigkeiten, mit den Herausforderungen ihrer Klient/innen umzugehen. Lebenslanges Lernen ist Teil der Berufskompetenz.

Die Akademie für Individualpsychologie (AFI) bietet ein Studium zum individualpsychologischen Berater AFI oder zur individualpsychologischen Beraterin AFI an. Sie erhalten ausserdem die Möglichkeit, den eidgenössisch anerkannten Abschluss «Berater oder Beraterin im psychosozialen Bereich mit eidgenössischem Diplom HFP» zu erwerben. Auch eine Anerkennung durch den Berufsverband mit dem Qualitätslabel Beraterin SGfB / Berater SGfB steht nach der Ausbildung offen.

Darüber hinaus stellt das AFI sicher, dass Absolvent/innen sich stetig weiterbilden können – zum Beispiel durch Angebote zur Spezialisierung in Erziehungsberatung oder Fortbildungen in verschiedenen Beratungsformaten. Beratungspersonen können die Qualität ihrer Dienstleistungen stetig verbessern. Fortbildungen und Weiterbildungen sind wichtig, um aktuelle psychologischen Ansätze und Methoden zu vertiefen und optimal einzusetzen.

Lesen Sie hier den zweiten Teil und dritten Teil dieser Beratungs-Trilogie.

 

Autor: Urs R. Bärtschi

 

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