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Lebensstil: Heute wichtiger denn je

Was macht die Krise mit uns und unserem Lebensstil? Diese kleine Frage bietet 1.000 Antworten. Weil jeder anders betroffen ist, jeder mit seinen eigenen Auswirkungen umgehen und jeder auf seine Art mit den psychischen Folgen klarkommen muss.

Der Begriff des Lebensstils mutet oberflächlich betrachtet wie ein elitärer Grundgedanke an. Schliesslich, so könnte man vermuten, muss man sich so etwas wie einen Lebensstil auch leisten können. Doch diese Einschätzung könnte nicht weiter von der Realität entfernt sein. Der persönliche Lebensstil ist nach der Lehre der Individualpsychologie eine Frage der inneren Haltung. Und noch mehr eine Frage des inneren persönlichen „Navigationssystems“.

Wie aber wirkt sich das auf die Lebensberatung aus, welche Rolle spielt der persönliche Lebensstil, wenn man als psychosoziale Beraterin bzw. psychosozialer Berater arbeiten will, zum Beispiel durch eine Berater Ausbildung, die SGfB zertifiziert ist? Und kann uns das Erkennen des eigenen Lebensstils helfen, auch Krisen zu meistern?

Alfred Adler - Zitat

Der konstruierte Lebensstil

Wer eine Ausbildung in der individualpsychologischen Beratung macht, lernt eines schon sehr früh: Strategien, die für alle gleichermassen funktionieren, gibt es nicht. Das wäre auch absurd, würde es doch bedeuten, dass die Menschen alle gleich sind. Das ist natürlich ein Tritt vor das Knie von diversen Autoren, die in ihrer Literatur Methoden versprechen, die allgemeingültig sind und alle zu glücklichen und erfolgreichen Menschen machen.

Nehmen wir einmal als Beispiel zwei Hochleistungssportler. Und verabschieden wir uns an dieser Stelle gleich von der Vorstellung, wir alle müssten solche Sportler sein. Das Beispiel ist lediglich gewählt, um die besonderen Fähigkeiten herauszuarbeiten, die Menschen haben können.

Ein Hochleistungssportler erlebt in seinem Bereich das, was wir alle von unserem Alltag kennen. Er muss sich überwinden, muss mit „toten Punkten“ zurechtkommen und immer wieder Grenzen überwinden, um sein Ziel zu erreichen. Er ist trainiert darin, nicht vorzeitig aufzugeben, sondern weiterzumachen und nach Techniken zu suchen, wie er seine Leistung verbessern kann. Dazu gehören auch Leistungseinbrüche, die es zu überwinden gilt.

Diese Herausforderungen kennen wir alle, im beruflichen und auch im privaten Leben. Wir müssen also keine Hochleistungssportler sein, um zu verstehen, wo die täglichen Hürden zu finden sind, die wir überwinden müssen. Doch es wäre absurd anzunehmen, dass es für die Meisterung jener Herausforderungen nur die eine Strategie gäbe, die uns alle ans Ziel bringt.

Zur Verdeutlichung: Wir sprechen ja von zwei Hochleistungssportlern. Gehen wir davon aus, dass sie den gleichen Sport betreiben und auf einem ähnlichen Leistungsniveau agieren. Und nehmen wir darüber hinaus an, dass beide sich ähnlich ernähren und vergleichbare Programme zum Muskelaufbau oder der Kondition anwenden.

Trotzdem kommen beide zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Und drohen an ähnlichen Punkten zu scheitern.

Das „Geheimnis“ des Erfolges, der sich bei beiden Sportlern letztlich doch einstellt, ist die individuelle Umgehensweise mit den Anforderungen. Während Sportler A etwa mit Meditation seine Leistung steigern kann, ist für B der Zusammenhalt in der Familie entscheidend, ohne den er sofort spürbar in seiner Leistungsfähigkeit abrutscht. Beide haben ähnliche Prämissen, was ihre sportlichen Leistungen angeht. Doch beide haben eben auch persönliche Herangehensweisen, um ihre Ziele zu verfolgen. Kein Buch der Welt kann mit nur einer Botschaft beide Sportler gleichermassen zum Erfolg bringen. Weil beide eben nicht das gleiche brauchen.

Potenzial ist individuell

Verlassen wir also hier die Welt des Leistungssports und wechseln in den Alltag der „Normalsterblichen“. Schon in der Kindheit beginnt der Mensch, eine kreative und schöpferische Kraft zu entwickeln. Diese Kraft führt zu Strategien, um Lebenslagen zu meistern. Der Mensch probiert Methoden durch Wiederholen aus und beginnt Schritt für Schritt, sich seinen Platz in der Welt zu erobern. So entsteht ein Gefühl für sich selbst, aber auch eines für die Mitmenschen und die Umwelt, in der der Mensch sich aufhält. Und so wächst ein Lebensstil heran, der einzigartig ist.

Zu Ende gedacht hat diese Entwicklung Alfred Adler. Er betonte, dass jeder Mensch seinen Lebensstil im Rahmen eines schöpferischen Akts selbst wählt. Wir können also von rund 7 Milliarden Lebensstilen ausgehen. Stellen wir uns nun – sagen wir mal – ein Grossraumbüro mit 4 Milliarden Angestellten vor, überrascht es uns nicht, dass die Anweisungen des Chefs bei den einen funktionieren, bei den anderen ins Leere laufen und bei wieder anderen sogar eine Abwehrhaltung erzeugen.

Den eigenen Lebensstil erkennen

In der wesentlich von Alfred Adler geprägten Individualpsychologie ist der Lebensstil die Folge eines unbewussten Entstehungsprozesses. Dessen Beginn ist in der Kindheit zu suchen, wo wir beginnen, Weltanschauungen und Überzeugungen aufzubauen. Diese tragen wir dann unser gesamtes Leben in uns, es sei denn, wir machen sie uns bewusst und kommen zum Schluss, daran etwas ändern zu wollen.

Entwickeln wir den Wunsch nach einer Veränderung unseres Lebensstils nicht, wird er zur unbewussten Routine, der wir ähnlich folgen wie dem Automatismus des Gehens, das wir machen, aber nicht hinterfragen. Befassen wir uns aber aktiv mit unserem Lebensstil, haben wir die Möglichkeit, ihn zu ändern bzw. zu korrigieren. Im Kern aber wird er uns erhalten bleiben.

Lebensstil und Beratung

Der Beratungsansatz beim Lebensstil ist ein Zusammenspiel aus Vergangenem und Gegenwärtigem, beides ist in die Zukunft gerichtet. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass sich der Lebensstil in der Kindheit ausbildet. Kinder, die mit ihrem Verhalten „erfolgreich“ sind, neigen dazu, dies fortzusetzen, selbst wenn es auf wenig Gegenliebe stösst. Da das eigene Verhalten für das Kind sinnvoll ist, sieht es keinen Grund, daran etwas zu ändern, es empfindet einen gewissen Einklang von sich und seiner Umgebung, man kann es auch Bewegungsgesetz nennen.

In der psychosozialen Beratung geht es nun darum, den zu beratenden Menschen vom unbewussten Einfluss, der ihn seit seiner Kindheit prägt, zu einem eigenverantwortlichen, neuen Handeln zu führen. Doch nicht jedes Bewegungsgesetz ist gleich. Solche, die der Gesellschaft dienlich sind, werden als konstruktive Leitlinien bezeichnet. Fatal für den Betreffenden ist die destruktive Leitlinie, die ihn auf die „unnütze“ Seite des Lebens bringt.

Der Ansatz der Beratung muss berücksichtigen, dass die Entscheidungen der zu beratenden Person nicht anhand von objektiven Aspekten getroffen werden, sondern aufgrund der Beurteilung, die sich durch seine Sinne und deren Ableitungen ergibt.

Es wäre jedoch ein Irrtum anzunehmen, dass der Mensch seinen Lebensstil oder sein Bewegungsgesetz durch eine entsprechende Beratung gänzlich ablegen kann. Was jedoch möglich ist, ist die Bewusstmachung der Aspekte seines Lebensstils, die eine störende Wirkung auf sein Leben haben.

Der eigene Lebensstil, die eigene Entscheidung

Trotz der Dinge, die man nicht beeinflussen kann, ist es jedem Menschen möglich, sein Leben individuell und mit eigenen Entscheidungen zu gestalten. Die Individualpsychologie nach Alfred Adler folgt dem Grundsatz, dass jeder sein Leben hat und jeder es selbst gestalten kann. Die Reaktion auf das, was uns im Leben widerfährt, ist also unserer Selbstverantwortung zuzuordnen, unserer eigenen Entscheidung.

Um es auf einen Punkt zu bringen und den Beratungsansatz deutlich zu machen, sei ein Zitat hervorgeholt, das Karl Valentin zugeschrieben wird: „Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.“

 

Quelle: Text Nr. 6, Lebensstil

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