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Ressourcen in Beratung und Coaching – neues Mindset für Ratsuchende

Ressourcen in der Beratung: Stärken stärken statt Schwächen ausmerzen

Ressourcen in der Beratung: Stärken stärken statt Schwächen ausmerzen

Ressourcenorientierung ist ein häufig gebrauchtes Wort im Bereich der psychosozialen Beratung, genauso wie im Life-Coaching. Es scheint selbstverständlich, vorhandene Stärken optimal einzusetzen. Im Alltag ist diese Sichtweise wenig verbreitet. Das zeigen zum Beispiel die Untersuchungen des Gallup-Institutes. Die Forscher/innen befragten im Laufe von 25 Jahren über eine Million Angestellte und etwa 80.000 Manager/innen. Achtzig Prozent der Arbeitnehmer/innen gaben an, im Job nicht ihren Stärken entsprechend eingesetzt zu werden. Das bedeutet: Die Menschen können am Arbeitsplatz ihre Fähigkeiten nicht voll entfalten, bringen weniger Leistung und sind weniger zufrieden.

Für Beratungspersonen folgt daraus, dass sie in einer Beratung höchstwahrscheinlich einem Menschen gegenübersitzen, der seine Schwächen beseitigen möchte, anstatt seine Stärken bewusst zu nutzen. Deshalb möchten wir Sie dazu einladen, sich mit dem Thema «Ressourcen in der Beratung» (wieder) zu beschäftigen. Beratungspersonen profitieren davon genauso wie ihre Klient*innen.

Was bedeutet der Begriff Ressourcen konkret?

Die Schwierigkeit bei Schlagworten ist: Wir nutzen sie so häufig, dass ihre Bedeutung unscharf wird. Darum nehmen wir an dieser Stelle den Begriff «Ressourcen» genauer unter die Lupe.

Das Wort «Ressourcen» beschreibt alle Mittel, die uns unterstützen, unsere Ziele zu erreichen. In Krisen und Zeiten grosser Veränderung gelten die eigenen Ressourcen als Kraftquelle. Wer sie kennt und gezielt einsetzt, profitiert enorm. Zu den persönlichen Ressourcen zählen Wissen, Erinnerungen, positive Erfahrungen und Humor genauso wie Selbstbewusstsein, Ziele, eigene Erwartungen und die Fähigkeit, sich selbst zu motivieren und sich mit andern konstruktiv auszutauschen. 

Zusätzlich existieren im Umfeld jeder Person sogenannte externe Ressourcen. Dies sind zum Beispiel vertrauensvolle, tragfähige Beziehungen im Freundeskreis, zu Mentor*innen und Familienmitgliedern. Genauso gelten finanzielle Absicherung, der Wohnort und die Nähe zur Natur als externe Hilfsmittel.

Wie funktioniert ressourcenorientierte Beratung?

Beim ressourcenorientierten Beratungsansatz analysieren die Berater*innen gemeinsam mit den Ratsuchenden, welche vorhandenen Mittel ihnen zur Verfügung stehen, um ein Problem zu bewältigen oder eine notwendige Veränderung umzusetzen. Sie greifen dafür nicht nur auf stabile Fähigkeiten zurück, sondern nutzen vorhandene Talente, die sie weiter ausbauen und trainieren ihren Einsatz.

Individualpsychologische Beratung kommt nicht ohne Ermutigung aus. Regelmässig suchen Menschen Unterstützung, weil sie ihre Ressourcen nicht erkennen. Sie sehen sich einer Situation hilflos gegenüberstehen. Ein/e individualpsychologische/r Berater*in weiss, dass jeder Mensch über mehr Fähigkeiten verfügt, als er glaubt. Dieses Wissen stammt nicht aus Lehrbüchern, die Beratenden haben es im Laufe ihres eigenen Ausbildungs- und Lebensweges selbst erfahren und sind ein lebendiges, authentisches Vorbild. Sie schaffen es, Ratsuchenden Hoffnung und Mut zu vermitteln.

Diese Authentizität ist eine zentrale Ressource von Beratungspersonen, die den Beratungserfolg intensiv mitbestimmt. 

Wie funktioniert ressourcenorientierte Beratung?

Welche Ressourcen bringen Ratsuchende mit?

Für die Beratung ist es zentral, dass Klienten und Klientinnen Offenheit mitbringen und bereit sind, sich auf den Beratungsprozess und die damit einhergehenden Veränderungen einzulassen. Weitere Ressourcen sind Lebensziele, Ideen, Visionen, Interessen und eine gewisse Ausdauer.

Ein Beispiel: Theresa (45) wurde von ihrem Lebenspartner verlassen. Der gemeinsame Sohn (7) möchte beim Vater bleiben. Für die Frau bricht eine ganze Welt zusammen. Sie hatte ihren sicheren Job als Sozialarbeiterin in einer Einrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung aufgegeben, um für die Familie da zu sein. Seit ihrem Ausstieg hat sich der Beruf stark verändert. Organisatorische Aufgaben stehen im Vordergrund, für die Arbeit mit Menschen bleibt immer weniger Zeit.

Theresa weiss nicht, ob sie den Anschluss an ihren alten Beruf noch finden kann und will. In der Beratung dreht sich deshalb viel Zeit um die Frage, welche Stärken und Fähigkeiten sie auszeichnen und welche Interessen sie hat. Dabei kommt ans Licht: Die Ratsuchende ist auf einem Bauernhof aufgewachsen und würde gerne in diesen Bereich zurückkehren. Da ihr die Möglichkeiten fehlen, einen eigenen Hof zu kaufen und zu bewirtschaften, entschliesst sie sich für eine Ausbildung an der bäuerlich-hauswirtschaftlichen Fachschule. Künftig wird sie landwirtschaftliche Betriebe im Stall und im Haushalt tatkräftig unterstützen, wenn zum Beispiel die Bäuerin wegen einer Krankheit ihre Arbeit nicht erledigen kann. Ihre Fähigkeiten als Sozialarbeiterin kommen hier voll zum Tragen, genauso wie ihre Erfahrungen aus der Familienzeit. 

Jeder Mensch hat Ressourcen. Wo liegt dann das Problem?

Das Beispiel zeigt stark verkürzt einen intensiven Entwicklungsweg. Die Lösung für Theresas Problem war nicht nach zwei Tagen gefunden.

Die Krux in Bezug auf Fähigkeiten besteht nämlich nicht darin, dass wir keine hätten. Das Problem ist vielmehr: Wir erkennen unsere Ressourcen nicht und sprechen nicht darüber. Wir in Mitteleuropa sind es nicht gewohnt, Erfolge und Stärken hervorzuheben. Es könnte eingebildet wirken. Stattdessen ist falsche Bescheidenheit angesagt. In Theresas Fall stand für sie fest: Wenn der Sohn Max lieber beim Vater leben möchte, hat sie als Mutter versagt. Wie soll sie mit dieser Einstellung vorhandene Stärken als Mutter erkennen?

Ein anderer Grund für unsere «Betriebsblindheit» in Bezug auf unsere Fähigkeiten und Stärken: Sie sind selbstverständlich. Ein extrem schneller und ausdauernder Läufer erkennt seine Stärke nur, wenn er sieht, dass andere sein Tempo nicht halten können. Menschen, die anderen empathisch zuhören können, erkennen ihr Talent indirekt. Sie selbst stellen regelmässig fest, dass andere nicht einfühlsam zuhören und sie selbst grosses Vertrauen als Gesprächspartner oder Gesprächspartnerin geniessen.

Und was ist mit den Schwächen?

«Wenn ich im Leben vorankommen möchte, muss ich an meinen Schwächen arbeiten, sie abstellen.» Die Erfahrung zeigt: Viele Menschen denken so. Deshalb können sie konstruktives Feedback nur schwer annehmen. Es fühlt sich für sie falsch oder unwahr an.

Diese Haltung bringt zwei Probleme mit sich: Die Arbeit an den eigenen Schwächen mündet schnell in einen energieintensiven Kampf gegen sich selbst. Je mehr sich ein Mensch auf seine Schwächen konzentriert, umso grösser werden sie. Und weil niemand perfekt ist, wird die mangelorientierte Strategie scheitern. Darüber hinaus nagt der einseitige Fokus auf Mängel und Macken am Selbstvertrauen.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ressourcenorientierte Beratung ignoriert oder leugnet Schwächen nicht. Sie konzentriert sich darauf, bekannte Stärken zu nutzen, vorhandene Talente zu fördern und bisher unbekannte Fähigkeiten aufzuspüren und nutzbar zu machen.

Es existieren verschiedene Faktoren, die uns auf Fertigkeiten hinweisen. Dazu zählen eine hohe Leistung in einer bestimmten Funktion, die Freude an einer Tätigkeit und das Gefühl «es läuft». Wenn wir uns mit Begeisterung in ein neues Thema einarbeiten und grosse Lernfreude entwickeln, ist auch dies ein Hinweis auf bisher unerkannte Fähigkeiten.

Ressourcen wahrnehmen: Jetzt wird es spannend!

Ressourcen wahrnehmen: Jetzt wird es spannend!

Bevor wir in die Übung einsteigen, stellen wir Ihnen die ressourcenorientierten Grundsätze vor:  

  1. Jeder Mensch verfügt über eine einzigartige Kombination aus Fähigkeiten.
  2. Der grösste Spielraum für eine Leistungssteigerung liegt in den jeweils grössten Stärken.

Denken Sie daran: Kompetenzen laufen Gefahr, in Vergessenheit zu geraten, wenn ihnen nur kurzzeitig Aufmerksamkeit geschenkt wird. Es gilt, neue Erkenntnisse bewusst in den Alltag zu integrieren, damit Sie sie nicht vergessen, wenn Sie sie am dringendsten benötigen. Beständiges Engagement ist für eine langfristige Veränderung unverzichtbar.

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Schritt 1: Die persönliche Stärken-Liste

Bitte nehmen Sie nun ein grosses Blatt Papier zur Hand und schreiben Sie all Ihre Stärken auf. Achtung: Es geht hier nicht darum, Stärken und Schwächen gegenüberzustellen, wie Sie dies vielleicht aus dem beruflichen Alltag kennen. Die Liste dient Ihnen zur Reflexion. Deswegen ist es wichtig, dass sie auch vermeintliche Kleinigkeiten notieren. Der Punkt «ich kann mir Zahlen gut merken» erhält genauso seinen Platz auf dem Papier, wie die Aussage «ich höre anderen einfühlsam zu».

Folgende Fragen dienen Ihrer Inspiration:

  • Was finde gut an mir? Beispiele: Humor, Einfühlungsvermögen
  • Was kann ich gut? Beispiele: zuhören, andere unterstützen
  • Wo liegen meine fachlichen Fähigkeiten? Beispiele: handwerkliches Geschick, Fähigkeit zur Reflexion
  • Meine Hobbys? Beispiele: Hundetraining/-erziehung, Tennis
  • Welche Tätigkeiten im Job fallen mir leicht und warum? Beispiele: Ich schreibe die Protokolle im Meeting, weil ich eine gute Auffassungsgabe besitze und wortgewandt bin.
  • Was fällt mir im Umgang mit Menschen besonders leicht?
  • An welchen Orten fühle ich mich besonders wohl?
  • Was will ich in meinem Leben noch erreichen?

Schritt 1: Die persönliche Stärken-Liste

Ressourcenorientierung trainieren: achten und ehren Sie Ihre Stärken

Empfinden Sie die Aufforderung in der Überschrift ungewöhnlich? Dann ist die Übung für Sie perfekt. Denn: Sie schaffen ein stabiles Selbstbild und Selbstvertrauen, indem Sie Ihre Fähigkeiten kennen und wohlwollend betrachten und nutzen. Indem Sie Ihre Stärken wertschätzen, erkennen Sie das Beste in sich selbst und in Ihrer Umgebung. Sie sehen Ihre Erfolge und wissen, welche inneren Potenziale und äusseren Situationen Ihnen Gesundheit, Vitalität und Einzigartigkeit verleihen.

Schritt 2: Feedback einholen

Jetzt holen Sie Feedback aus ihrem privaten und beruflichen Umfeld ein, idealerweise von drei bis fünf Menschen.

Je mehr unterschiedliche Stimmen Sie dafür nutzen, umso differenzierter wird das Bild. Auf diese Weise gelangen Sie zu einem tieferen Verständnis Ihrer Stärken, als ein wissenschaftlich fundierter, standardisierter Text es könnte.

Bitten Sie jede Person um eine Rückmeldung zu Ihren Stärken. Dabei ist es wichtig, dass zu jeder Stärke eine konkrete Situation genannt wird, in der sich diese Fähigkeit besonders deutlich gezeigt hat. Konkretes Feedback macht Ihnen besonders deutlich, wo Ihre persönlichen Stärken und Fähigkeiten liegen.

Hier ein Vorschlag, um eine E-Mail zu formulieren. 

Liebe/r …

Aktuell befinde ich mich in einem Selbstreflexionsprozess und erforsche meine Stärken, Fähigkeiten und Kompetenzen. Alleine kann ich kein realistisches Bild von mir erstellen. Deshalb erlaube ich mir, dich um ein kurzes schriftliches Feedback zu bitten.

Könntest du mir bitte drei Stärken nennen? Wo denkst du, kann ich diese Stärken am besten zum Ausdruck bringen? Bitte versuche dabei, dich an gemeinsame Erlebnisse und Erfahrungen zu erinnern und die entsprechenden Fähigkeiten zu benennen.

Schritt 3: Feedback ordnen

Als nächstes filtern Sie aus den Nachrichten mehrfach genannte Stärken heraus. Eine Tabelle erweist sich dafür als besonders nützlich.

Ein Beispiel:

Fähigkeit / KompetenzSituation /BeispielMögliche Deutung
Kreativität /Thinking-outside-the-boxIch habe exzellente Lösungen für ein komplexes Problem gefunden. Keinem anderen Teammitglied ist das gelungen.  Ich kann komplexe Aufgaben überblicken und von verschiedenen Seiten betrachten. Mir fallen besonders passende Lösungen ein.

 

Schritt 4: Externes Feedback zusammenfassen

Nun fassen Sie alle Informationen zu einer Quintessenz zusammen. Lassen Sie Formulierungen von Feedbackgeber/innen stehen. Achten Sie darauf, dass ein Fliesstext entsteht und keine reine Aufzählung. In zwei bis vier Absätzen können Sie verschiedene Themen und Lebensbereiche zueinander in Beziehung setzen. Nehmen Sie sich Zeit für diesen Prozess. 

Schritt 5: Das Gesamtbild entsteht – so nutzen Sie es im Alltag

Vergleichen Sie das Feedback, das Sie erhalten haben mit Ihrer persönlichen Liste von Stärken und Fähigkeiten. Untersuchen Sie, wo sich Gemeinsamkeiten zeigen und welche Aspekte hinzukommen. Jetzt können Sie eine abschliessende Fassung erstellen, idealerweise wieder in einem Fliesstext. Auf diese Weise fügen sich die gesammelten Informationen einschliesslich vermeintlicher Widersprüche harmonisch zu einem Bild zusammen.

Nutzen Sie die neuen Erkenntnisse und engagieren Sie sich gezielt in Bereichen, in denen Ihr Einsatz einen Unterschied macht. Schöpfen Sie Ihr Potenzial voll aus, um Ihre Ziele zu erreichen – zu Ihrem eigenen Vorteil und zum Wohl der Gemeinschaft.

Ressourcenorientierte Beratung: Gelassenheit und Selbstvertrauen statt Stress und Überforderung

Ressourcenorientierte Beratung: Gelassenheit und Selbstvertrauen statt Stress und Überforderung

Die unzähligen Möglichkeiten, sich selbst zu optimieren und immer besser zu werden, können überfordern. Vor allem ehrgeizige, engagiere Menschen laufen Gefahr, in die Perfektionsmus-Falle zu tappen. Stopp! Setzen Sie sich nicht unter Druck. Sie müssen kein perfekter Mensch werden – wie auch immer der aussehen mag. Genau genommen ist dies ein unrealistisches Ziel.

Den Grund dafür beschreibt Malcom Gladwell sehr anschaulich in seinem Buch “Überflieger: Warum manche Menschen erfolgreich sind – und andere nicht”. Der angesehene Wirtschafts- und Wissenschaftsjournalist untersuchte, welche Eigenschaften und Verhaltensweisen erfolgreiche Menschen auszeichnen. Seine bedeutendste Erkenntnis ist die sogenannte “10.000-Stunden-Regel”. Sie besagt, dass erfolgreiche Personen mindestens 10.000 Stunden praktische Erfahrung auf ihrem Gebiet vorweisen können – Stunden voller beharrlicher Arbeit und disziplinierter Anstrengung. Anders ausgedrückt: Sie brauchen etwa sechs bis sieben Jahre, um diese Stundenzahl zu erreichen. Daraus folgt, dass Sie in Ihrem Leben nicht alles trainieren können, weil Ihre Zeit und Energie begrenzt sind. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Stärken und akzeptieren Sie Ihre Schwächen. So erzielen Sie den grössten Mehrwert. Dieses Wissen fördert Ihre Gelassenheit, denn es zeigt, dass jeder Mensch seine persönlichen Grenzen hat.

 

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